Magic of Tribe II

Bild einer Spirale als Einleitung zu einem Artikel über die Magie von therapeutischen Gruppen

 

Über meine Faszination für die Heilungs- und Wachstumsarbeit in Gruppen habe ich schon einiges geschrieben. Zum Beispiel im Artikel über "Tribal Trauma" oder "Magic of Tribe".

 

Aus eigener Erfahrung weiss ich, welche magischen Prozesse entstehen können, wenn Menschen mit offenem Herz zusammenkommen und zulassen, dass ihre Nervenysteme sich synchronisieren. Wie dadurch das Phänomen der Kollektivregulation ablaufen kann, das für unsere Jäger- und Sammlervorfahren vermutlich noch ein selbstverständlicher Teil des Alltags war. Und für uns moderne Menschen fremd wirkt oder von uns sogar in den esoterischen Bereich verbannt wird.

 

Dass dieses Phänomen dort definitiv nicht hingehört, habe ich neulich bei einer Recherche mit Freude feststellen dürfen. Auch die neuropsychologische Forschung interessiert sich nämlich für dieses Phänomen und hat eine Untersuchungsmethode entwickelt, die sich Hyper-Scanning nennt: Die Aktivität des Gehirns und des Nervensystems mehrerer Personen wird gleichzeitig aufgezeichnet und untersucht. Und auch die Wissenschaftler staunen lässt über den beobachteten Effekt – eben, dass Gehirne und Nervensysteme von Menschen es lieben, sich zu synchronisieren – um so die Leistungsfähigkeit des einzelnen Nervensystems zu verdoppeln, zu vervielfachen oder sogar zu potenzieren. Vergleichbar mit dem Internet.

 

Dieses Phänomen an sich ist weder positiv noch negativ, sondern in erster Linie einfach menschlich. Ob es eine positive oder negative Wirkung hat, d.h. ob destruktive kollektive Prozesse bis hin zu Massenpsychosen oder Pogromen oder heilsame und entwicklungsfördernde resultieren, hängt vom Rahmen oder Gefäss ab, das geschaffen wird für diese Prozesse.

 

Dank der HeartIQ-Arbeit von Christian Pankhurst durfte ich Werkzeuge entdecken, die es mir ermöglichen, in meinen Gruppen solche Gefässe zu schaffen, damit magische herzöffnende Regulationsprozesse ablaufen können. Wie dies ablaufen kann, habe ich in einem Blogartikel mit Titel „Gruppen mit Herz“ beschrieben.

 

Wie Kollektivregulation in der Praxis aussehen kann, möchte ich Dir in diesem Artikel anhand von zwei aktuellen Beispielen mitteilen.

 

Grundsätzlich gilt: Kollektivregulation ist chaotischer, d.h. weniger linear, schwerer kontrollierbar, aber auch dynamischer, mächtiger, wirksamer und nachhaltiger als Selbstregulation oder die Ko-Regulation im Zweiersetting in einem Einzelcoaching oder einer Einzelbehandlung.

 

Beispiel 1

 

Am Einstiegsabend meiner aktuellen Gruppe „Sensitive Rebels“ beschäftigten wir uns im Kollektiv mit unseren Inneren Kritiker*innen. Mein Ziel des Abends war, den Teilnehmenden zu vermitteln, dass es sich lohnt, sich Zeit zu nehmen für die Auseinandersetzung und Beziehungspflege mit diesen Anteilen, da diese uns oftmals Wichtiges mitzuteilen haben, wenn wir auf sie hören und nicht gegen sie ankämpfen. Und zusätzlich hegte ich die leise Hoffnung, dass einige der Teilnehmenden ein Gefühl von Versöhnlichkeit und Friede der eigenen Inneren Kritikerin gegenüber erfahren würden.

 

Mit 10 Teilnehmenden war die Gruppe für meine Verhältnisse und für meinen Praxisraum eher gross. Die Gruppe stürzte sich mit grosser Neugier und Abenteuerlust in die Übungen, im ersten Teil hauptsächlich im Zweiersetting und gab fleissig den Inneren Kritiker*innen eine Gestalt und einen Namen und versetzte sich im Anschluss in die Rolle dieses Anteils, um diesen einmal aus der Innenperspektive zu erfahren.

 

Die Magie geschah in der Reflexionsrunde, als wir uns wieder im Kreis zusammen fanden. (Einschub: Die Kreisform eignet sich besonders gut, um ein sogenanntes „resonantes“ oder „Verstärkungsfeld“ aufzubauen, um die Kollektivregulation zu fördern.) Die meisten Teilnehmenden äusserten ihr Erstaunen darüber, wie rasch und wie stark sich ihre Beziehung zu den Inneren Kritiker*innen entspannt hatte durch die Kontaktaufnahme. Und noch stärker war der Effekt der Entspannung und Beruhigung, als sie die Aufgabe erhielten, sich bei den Inneren Kritiker*innen zu bedanken. Die Stille, die in dem Moment entstand, ist schwer mit Worten wieder zu geben. Wörter, die mir als Zeuge in den Sinn kamen, waren: Nährend, kostbar und insbesondere – heilig. Im ursprünglichen Sinn von „Heil bringend“, heilsam. Ich spürte an Leib und Seele, wie tiefe Heilung stattfand, die mühelos, ohne Anstrengung abzulaufen schien.

 

Das Gefühl von Versöhnlichkeit und Friede hatte sich nicht nur ein bisschen und erst am Ende des Kursabends eingestellt, sondern in der Hälfte und in einem Ausmass, das ich in der Einzelarbeit so nicht oder nur ganz selten erlebe (und wenn, dann nach mehreren Sitzungen und harter Arbeit).

 

Beispiel 2

 

Im letzten Teil des Gruppenabends wollte ich den Teilnehmenden Wege aufzeigen, wie wir unseren Inneren Kritiker*innen begegnen können. Ein mutiger Teilnehmer begab sich in die Mitte des Kreises und stellte sich einem personifizierten Aspekt einer Inneren Kritikerin, der von einer anderen Teilnehmerin dargestellt wurde. Im Lauf der Exploration tauchte eine Erinnerung auf an eine schmerzhafte und beängstigende Situation aus seiner Vergangenheit als Kind. Da er damals mit seinen intensiven Emotionen überfordert war und keine Unterstützung erhalten hatte beim Umgang damit, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich von seinem Erleben zu distanzieren. Dies wurde auch in der gegenwärtigen Situation im Kreis deutlich: Der Teilnehmer verhielt sich dem in der Erinnerung aufgetauchten Ich gegenüber distanziert und emotionslos und wollte den Kontakt mit diesem Ich rasch wieder beenden. Da wir die Kollektivregulation nutzen wollten, holte ich auch die Resonanz der anderen Teilnehmenden im Kreis ab. Diese wirkten sichtlich angespannt und eine Teilnehmerin zeigte eine deutliche Reaktion, indem sie ihre Hände auf ihr Gesicht legte und den Kopf schüttelte. Eine der gruppendynamischen Gesetze in der Kreisarbeit lautet: „What you repress, somebody else will express for you.“ – Was Du unterdrückst, wird jemand anderes für Dich zum Ausdruck bringen. Genau das geschah: Die Teilnehmerin erlebte die Emotionen des verletzten Kindanteils des Teilnehmers und brachte diese zum Ausdruck. Für ihn selber war das in dem Moment zu bedrohlich, sie fühlte sich sicherer damit, diese Emotionen auszudrücken. Was wiederum ihm Sicherheit gab, sich diesen Emotionen zu stellen. Und in der Folge dazu führte, dass der Teilnehmer am Kontakt mit seinem früheren Ich dranblieb und im weiteren Prozess mit diesem Ich gemeinsam einen Weg suchte, dieses in Sicherheit zu bringen und die Angst zu beruhigen.

 

Wie geht es Dir beim Lesen dieser Beispiele?

 

Ich bin nach mittlerweile 10 Jahren Erfahrung mit Heilungs- und Wachstumsarbeit mit Menschen im Einzelsetting nach wie vor überrascht, begeistert, fasziniert, wie die gleichen Prozesse auch in der Gruppe ablaufen, einfach unglaublich viel schneller und tiefer.

 

Und damit Du nicht nur meine Sicht erfährst, wie ich die magischen Prozesse in den Gruppen erlebe, teile ich gerne noch zwei Rückmeldungen von Grupppenteilnehmenden mit Dir, die mich sehr gefreut und berührt haben:

 

"Ich finde es eine tolle Idee, hochsensible Menschen zusammen zu bringen und mit ihnen Themenabende durchzuarbeiten. Ich kenne auch bereits andere Treffen, in denen man einfach nur über sich und eigene Probleme mit der Sensibilität redet aber man kommt da irgendwie nicht vorwärts und nicht raus aus dem Jammern über das "schwere Schicksal als Hochsensibler". Das ist mir einfach zu wenig. An deinen Abenden kommt man endlich auf den Punkt, kann sich selbst reflektieren und motivieren und bekommt auch Tools, mit denen wir uns selbst helfen können und die uns weiterbringen. Das ist sooo wertvoll. Danke, danke, danke. Ich sehe es, dass du ein grosses Wissen hast und es auch mit deinem Herzen machst - das ist so schön."  - K. H.

 

"Es brauchte ein wenig Überzeugungsarbeit, damit ich meiner Skepsis und auch Furcht entgegengetreten bin und mich für die Gruppentherapie anmeldete. Jetzt kann ich es uneingeschränkt weiterempfehlen und glaube, dass darin ein wertvoller Schatz liegt.

In der Verbundenheit entstand für mich eine heilsame Dynamik, durch Zugehörigkeit und Verständnis. Ich durfte über mich hinauswachsen und erlebte Meilensteine in Themen, bei denen ich mich sonst nur schleppend voran bewegte. Es fühlte sich an, als ob das in jedem schlummernde Potential sich gegenseitig die Hand gab und sich in einen gemeinsamen und doch individuellen Tanz begab, der eine schwingende Kraft erzeugte, von der jede:r profitierte. Simon hat dies unglaublich achtsam angeleitet und jede Sitzung ein reiches, vielfältiges Buffet angeboten, ohne starr zu bleiben, falls plötzlich neue Rhythmen auftauchten. Ich bin dankbar, dass ich meinen Weg von Simon bereichern liess." - K. R.

 

Wenn Du selber erleben möchtest, was für eine Wirkung heilsame und entwicklungsfördernde Gruppen auf Dich haben können – schau Dir unbedingt mein aktuelles Gruppenprogramm an. Ich freue mich immer über neue Nervensysteme in meinen Gruppen.

 

Und wenn Du eigene magische Erfahrungen teilen möchtest, die Du mit Gruppen erlebt hast, teile sie mit uns unten im Kommentarfeld oder schreib mir eine Mail. Ich werde dann intensiv mein Nervensystem sich mit Deinem verbinden lassen – für den Fall, dass das auch auf Distanz funktioniert.

 

Herzlich,

 

Simon

 

PS. Weil es in diesem Artikel auch noch um unsere Inneren Kritiker*innen ging – hier noch der letzte Link zu einem Artikel, in dem Du mehr über diese erfährst: "Rendez-Vous mit Deinen Inneren Kritiker*innen".

 

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PSYTSG

Psychotherapie Simon Gautschy

M.Sc. Simon Gautschy

Eidg. anerkannter Psychotherapeut
Fachpsychologe für Psychotherapie FSP

Rathausgasse 17

5000 Aarau

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