Tribal Trauma

 

Mit Tribal Trauma (Stammes- oder Gruppentrauma) bezeichne ich die Tatsache, dass die Meisten von uns in unserer Vergangenheit oder Gegenwart traumatische Erfahrungen in Gruppen machten oder machen, insbesondere sensiblere Menschen. Beziehungsweise zusätzlich dazu noch das potenziell traumatisierende Fehlen von sicheren und geborgenheitsspendenden Gruppen in unserer modernen westlichen Welt.

 

Diese Tatsache und die damit verbundenen Konsequenzen, insbesondere, was dies für unser Wohlbefinden und die Entstehung von psychischem Leiden bedeuten kann, wurde bisher von der Psychologie weitgehend ignoriert.

 

"Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind grosszuziehen."

 

Auf dieses afrikanische Sprichwort bin ich während der Vorbereitung auf die Geburt meines Sohnes gestossen und es geht mir seither nicht mehr aus dem Kopf. Es drückt aus meiner Sicht wunderbar die Tatsache aus, dass wir Menschen eine Vielfalt an sozialen Angeboten benötigen, um uns ganzheitlich und gesund entwickeln zu können. Besonders stark trifft dieses Sprichtwort auf sensiblere Menschen zu, die oftmals sehr unterschiedliche, zum Teil einander widersprechende Verhaltenstendenzen und Persönlichkeitseigenschaften in sich vereinen und mehr soziale Nahrung benötigen, um diese Eigenheiten in ihr Selbstbild integrieren zu können.

 

Wir Menschen sind Gruppenwesen. Die biologisch-psychologische Struktur unseres Organismus hat sich im Lauf der Evolution so entwickelt, dass wir am Besten in einer sozialen Umgebung von 20 bis 150 Menschen gedeihen. Unsere Vorfahren haben sich in Stämmen organisiert, die aus Familienclans bestehend aus etwa 20 Menschen im Verband mit anderen Familienclans zusammengesetzt waren. Diese Zusammensetzung ermöglichte eine aus biologisch-psychologischer Sicht optimale Mischung aus Vertrautheit / Sicherheit einerseits und Fremdheit verbunden mit der Möglichkeit zur genetischen Durchmischung, so dass sich in einer geschützten Umgebung neue Verhaltensweisen entwickeln konnten. Menschen, insbesondere Kinder konnten sich flexibel innerhalb eines dynamischen, durchmischten, heterogenen sozialen Geflechts frei bewegen und sich die für ihre individuelle Entwicklung notwendigen Impulse dort holen, wo es ihnen am Besten entsprach. Die Hierarchien waren flach und durchlässig und orientierten sich vor allem an Fähigkeit, Kompetenz, Alter, Erfahrung und Weisheit.

 

Heute leben wir in einer ganz anderen Welt. Wir bewegen uns zwischen Extremzuständen: Einerseits fühlen wir uns in der globalisierten Welt überfordert von der Möglichkeit, uns mit der ganzen Welt vernetzen zu können oder zu müssen. Zusätzlich führt der Fokus auf das Individuum und der Anspruch, als Individuum die eigene Einzigartigkeit beweisen und das eigene Potenzial ausschöpfen zu müssen ebenfalls zu Überforderung und Erschöpfung. Gleichzeitig sind wir sozial unterstimuliert: in unserer Urgruppe, der Familie, sind maximal zwei Personen für die Erfüllung unserer Bindungsbedürfnisse zuständig, ein klares Unterangebot. Ab dem Kindergartenalter wurden wir in altershomogenisierte Gruppen gesteckt und tun dasselbe heute mit unseren Kindern, wo sie dem permanenten Vergleich und somit viel Stress ausgesetzt sind. Für die Befriedigung unserer tiefgehenden emotionalen Beziehungsbedürfnisse ist in der Regel eine Einzelperson in Form einer Partnerin oder eines Partners zuständig und damit masslos überfordert, was die hohe Scheidungsrate widerspiegelt. Die sozialen Netze im Freundeskreis und im Beruf sind im Zusammenhang mit der heutzutage selbstverständlichen Mobilität und Flexibilität brüchig geworden.

 

In einer Welt geprägt von Ellbogenverhalten, Alphatieren, Vergleich und Mobbing können wir uns kaum noch vorstellen, wie es sein kann, uns in einer nährenden Gruppenumgebung zu befinden.

 

Allein schon diese Tatsache spricht aus meiner Sicht für ein kollektives Trauma.

 

Was sind denn nun weitere Anzeichen dafür, dass Sie ein Gruppentrauma erlitten haben und nach wie vor unter den Folgen leiden könnten?

  • Sie haben eine oder mehrere Erfahrungen von Ablehnung, Ausgrenzung, Mobbing erlebt, sei es in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule oder im Beruf, welche mit starkem Stress und Angst verbunden war und dazu geführt hat, dass sie in der Folge vorsichtiger waren und sich anpassten in Gruppensituationen oder diese gänzlich zu vermeiden versuchen
  • Das Gefühl, bzw. die Angst, in Gruppen unterzugehen oder zu kurz zu kommen
  • Körperliche Anspannung und Stresssymptome in Gruppensituationen, z.B. Herzklopfen, roter Kopf, zittrige Beine, Schwitzen, erhöhter Puls, Bauchschmerzen, Übelkeit
  • Müdigkeit und Erschöpfung nach Begegnungen mit Gruppen
  • Auch wenn Sie nie eine traumatische Erfahrung in einer Gruppe erlebten, haben Sie sich nie wirklich wohl gefühlt in Gruppen seit Sie sich erinnern können. Dies kann ein Anzeichen für ein transgenerationales Gruppentrauma sein, das Sie von Ihren Eltern oder jene sogar von deren Eltern „geerbt“ haben könnten
  • Stark ausgeprägtes Vermeidungs- und Anpassungsverhalten
  • Die Welt fühlt sich an wie ein bedrohlicher Ort, insbesondere wegen der Menschen, die unseren Planeten bevölkern
  • Weltschmerz; Ihnen fällt auf, wie grausam Menschen miteinander umgehen und Sie leiden stark unter dieser Wahrnehmung.
  • Ausgeprägte unerfüllte Sehnsucht nach Verbindung und Geborgenheit

Erkennen Sie sich wieder in dieser Beschreibung und treffen mehrere der oben genannten Symptome auf Sie zu? Möchten Sie etwas gegen Ihr Gruppentrauma unternehmen? Schauen Sie doch einmal in mein aktuelles Gruppenangebot hinein: Meine Gruppen. Auf der Seite erkläre ich Ihnen in einem Video, wieso aus meiner Sicht und Erfahrung in den meisten Fällen therapeutische und Wachstumsprozesse in Gruppen schneller, tiefer und effizienter ablaufen.


"Nur auf einem gesunden und tragfähigen Stamm kann sich eine stolze Krone entwickeln." - S. Gautschy

 

PSYTSG

Psychotherapie Simon Gautschy

M.Sc. Simon Gautschy

Eidg. anerkannter Psychotherapeut
Fachpsychologe für Psychotherapie FSP

Rathausgasse 17

5000 Aarau

Haben Sie eine Frage an mich? Oder möchten Sie mir einfach einen schönen Tag wünschen?

Hinweis: Bitte die mit * gekennzeichneten Felder ausfüllen.

Möchten Sie meinen Newsletter erhalten? Klicken Sie einfach auf den Button: