Willkommen in der Schattenwelt

Schattenarbeit

In diesem Artikel erfährst Du, was Psycholog*innen meinen, wenn sie vom Schatten sprechen. Und Du erhältst zwei Anregungen von mir, wie Du Deine eigenen psychologischen Schatten identifizieren kannst.

 

Ich habe in diesem Jahr damit begonnen, mit zeitlich begrenzten Behandlungsphasen zu arbeiten und der jeweiligen Phase ein Überthema zuzuteilen. Um den Menschen, mit denen ich arbeite, dadurch zusätzliche neue Blickwinkel und Sichtweisen auf sich selber, ihre Themen und ihr Leben zu ermöglichen.

 

In der aktuellen Phase begeben wir uns in die Schattenwelt. Und beschäftigen uns dort mit unseren Schattenseiten. Der Begriff des Schattens stammt vom Schweizer Psychiater C.G. Jung und bezeichnet die Seiten und Anteile von uns, die wir früh im Leben ins Unterbewusstsein verdrängen mussten, da sie nicht erwünscht waren (aus Sicht der Eltern, der Geschwister, der Freund*innen) oder nicht gesellschaftlichen Werten und Erwartungen entsprachen.

 

Zum Beispiel:

  • Die Seite von Dir, die sich bei Frust gerne lauthals Luft verschaffen und ihren Ärger der ganzen Welt mitteilen möchte (Wutschatten)
  • Die Seite von Dir, die sich hilflos, ohnmächtig und bedürftig fühlt und unbegrenzte Zuwendung, Liebe und Unterstützung von anderen erhalten möchte (Bedürftigkeitsschatten)
  • Die Seite von Dir, die es geniesst, im Zentrum der Aufmerksam zu stehen und über andere zu bestimmen (Machtschatten)
  • Die Seite von Dir, die gerne mit den eigenen Fähigkeiten, dem eigenen Wissen oder den eigenen Leistungen prahlt (Angeberschatten)
  • Die Seite von Dir, die gerne auch einmal überhaupt nichts macht, auf der faulen Haut liegt und es sich gut gehen lässt (Faulenzerschatten
  • Die Seite von Dir, die sich gerne lustvoll hingibt, unterordnet und sogar aktiv nach schmerzhaften Erfahrungen und Empfindungen sucht (Masochistenschatten)
  • Und so weiter.

Bestimmt gibt es bei den genannten Seiten, die Dir sympathischer und solche, die Dir unsympathischer erscheinen. Jeder Mensch hat sein eigenes Licht-/Schatten-Profil.

 

Wieso lohnt sich die Beschäftigung mit diesen Seiten von uns?

 

Unsere Seele strebt nach Ganzheit. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als dass wir unser ganzes, in uns angelegtes Potenzial zum Ausdruck bringen. Und dies können wir nur, wenn wir Zugang zu sämtlichen in uns angelegten Entwicklungsenergien oder –anteilen haben. Damit alle Anteile am runden Tisch unseres Inneren Teams mitreden dürfen. Unsere Schattenanteile sind nämlich nicht an sich böse, schlecht oder gefährlich. Sondern bergen im Kern gesunde Entwicklungsimpulse, die als böse, schlecht oder gefährlich bewertet wurde. Denn jede Bewertung ist relativ, da sie vom Bewertungssystem der bewertenden Person oder Kultur abhängt.

 

Selbstverständlich gibt es schädliche Verhaltensweisen, die auf jeden Fall unerwünscht sind. Diese sind aus psychologischer Sicht meistens Versuche eines unterdrücken Schattenanteils, Aufmerksamkeit zu erhalten und integriert zu werden. Wenn beispielsweise eine Person, wie häufig bei Staatsoberhäuptern zu sehen, versucht, viel Macht über andere zu erlangen und auszuüben, hängt dies aus psychologischer Sicht damit zusammen, dass dieser Mensch früh im Leben verletzt, missachtet, abgewertet oder bestraft wurde, wenn er sich ohnmächtig fühlte und zeigte. Diese Person versucht durch eine Strategie namens Überkompensation, den ins Schattenreich verdrängten Ohnmachts-Anteil vor weiteren Verletzungen zu schützen. Erzielt damit aber keine Heilung. Diese kann nur dadurch geschehen, wenn der Ohnmachts-Anteil ans Licht, d.h. bewusst gemacht wird und diesem Anteil beispielsweise vermittelt wird, dass es in Ordnung ist, sich in gewissen Situationen ohnmächtig zu fühlen. Und dass der Ohnmachts-Anteil auf gesunde Art beispielsweise dazu beitragen kann, dynamische Beziehungen mit anderen Menschen zu erleben und die Erfahrung zu machen, wie wohltuend es sein kann, sich der Macht anderer auszuliefern. Sich führen, lenken, leiten und halten zu lassen.

 

Aus diesem Beispiel heraus kannst Du bereits eine zentrale Frage entnehmen, die Du Dir stellen kannst, um Deine eigenen Schattenanteile zu identifizieren:

 

Wie versuchst Du zu sein? Welches Bild versuchst Du anderen von Dir zu vermitteln?

 

Wenn Du für Dich die Antwort gefunden hast, schau Dir das Gegenteil davon an. Welches ist das Gegenbild? Wie willst, sollst oder darfst Du auf keinen Fall sein? Welches Erleben, welche Gefühle versuchst Du zu vermeiden?

 

Wie fühlt sich das für Dich an, mit diesem Anteil von Dir in Kontakt zu kommen? Unsere Reaktionen auf unsere Schattenanteile liefern uns wichtige Informationen über den Gefühlszustand der Schattenanteile zum Zeitpunkt, als sie in die Schattenwalt abtauchen mussten. Häufig schämen wir uns dafür, sie sind uns peinlich, wir fühlen uns dafür schuldig, bedrücken uns oder lösen Ärger über uns selber aus. Das ist das emotionale Klima, in der Regel gänzlich ungefiltert, zum Zeitpunkt der Verletzung. Die schlechte Nachricht: Wenn Du den Schattenanteil bergen möchtest, wirst Du nicht darum herum kommen, Dich diesen Gefühlen in ihrer vollen Intensität zu stellen. Die gute Nachricht: Du kannst das. Deine erwachsene Psyche ist mittlerweile genug entwickelt, um diese Gefühlsstürme aushalten zu können.

 

Ah ja, und noch eine andere schöne Technik, wie Du Schattenanteile von Dir identifizieren kannst: Aus der analytischen Psychologie kennen wir den psychologischen Mechanismus der Projektion. Damit ist gemeint, dass wir Anteile, derer wir uns nicht bewusst sind, auf andere Menschen projizieren. Die dann eine emotionale Reaktion bei uns auslösen. Uns „triggern“, wie wir das im Alltag gerne nennen. Das kann eine negative emotionale Reaktion sein, es kann aber genauso gut sein, dass positive Reaktionen, wie zum Beispiel Bewunderung und Liebe darauf hinweisen, dass eine andere Person einen Anteil integriert hat und verkörpert, der bei uns im Schattenreich gelandet ist.

 

Wer oder was triggert Dich im negativen oder im positiven Sinn?

 

Wenn Du mir von Deinen Schattenseiten berichten möchtest, würde ich mich freuen. Richte ihnen auf jeden Fall sonnige Grüsse von mir aus. Auch Schatten mögen ab und zu etwas Licht.

 

Wenn Dich dieses Thema interessiert und Du mehr über die Schattenwelt erfahren möchtest: Im nächsten Artikel nehme ich Dich mit auf eine Reise zu den vier Kontinenten der Schattenwelt und verrate Dir, welche archetypischen Entwicklungsenergien als Schätze dort zu finden und bergen sind.

 

Herzlich,

Simon

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PSYTSG

Psychotherapie Simon Gautschy

M.Sc. Simon Gautschy

Eidg. anerkannter Psychotherapeut
Fachpsychologe für Psychotherapie FSP

Rathausgasse 17

5000 Aarau

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