Von Bindung und Verbindung

Paar in seltsamer Umarmung, sie blickt in die Kamera, er ist abgewandt.
Eine liebevolle Umarmung. Oder doch eher etwas besitzergreifend? Und wo ist er wohl mit seinen Gedanken? Oder hält er etwa ein Handy in der Hand?

 

In diesem Artikel erfährst Du den Unterschied zwischen Deinem Bindungs- und Verbindungssystem und wie Dir diese Unterscheidung helfen kann dabei, Erfüllung in Deinen Beziehungen mit anderen und in der Beziehung mit Dir zu erfahren.

 

Viele, wenn nicht die meisten modernen Menschen würden der Aussage zustimmen, dass erfüllende Beziehungen, sei es eine Liebes- oder freundschaftliche Beziehung, eine essenzielle Bedingung für ein glückliches und erfülltes Leben sind.

 

Die meisten Menschen sind sich allerdings nicht bewusst, dass sie zwei verschiedene Möglichkeiten oder Systeme besitzen, Beziehungen einzugehen. Die sich vordergründig sehr ähnlich sind, im Kern allerdings grundverschieden. Das eine System führt nämlich zu Erfüllung, Glück und Zufriedenheit. Während das andere zu wiederkehrenden immergleichen Konflikten, einem angespannten Klima, Lustlosigkeit und letzten Endes zu Frustration und Beziehungsabbruch führt.

 

Beginnen wir mit dem bekannteren der zwei Systeme: Dem Bindungssystem.

 

Das Bindungssystem gehört zur psychobiologischen Grundausstattung von uns Menschen. Es hat sich im Lauf der Evolution herausgebildet, um zu garantieren, dass Neugeborene zu Beginn die bestmögliche Unterstützung für ihre körperliche, seelische und geistige Entwicklung erhalten. Idealerweise von ganz viel Personal, dem sprichwörtlichen afrikanischen Dorf. Das Bindungssystem ist zu Beginn des Lebens hochaktiv, was sich darin zeigt, dass Neugeborene und Kleinkinder ihre Bedürfnisse nach Unterstützung, Beruhigung, Trost, Aufmunterung, Unterhaltung, Zuwendung etc. lauthals in die Welt hinausschreien. Und es fährt rasch herunter, wenn feinfühlige, vertrauenswürdige Bezugspersonen rasch zur Stelle sind, um entspannt, mit viel Geduld und Liebe die Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn das über eine längere Zeit zuverlässig geschieht, wird das Bindungssystem gut versorgt und springt immer weniger häufig, weniger leicht und weniger stark an. Damit ist die Grundlage geschaffen, dass das Verbindungssystem aktiv werden kann und Menschen erwachsene Beziehungen zu anderen aus der Fülle ihres gut genährten Bindungssystems eingehen können. Es müssen in erwachsenen Beziehungen keine Bindungstraumata aufgelöst werden und das Triggerpotenzial ist so niedrig, dass es fast schon langweilig werden kann.

 

Das ist der eigentlich normale Ausnahmezustand, der vermutlich bei unseren Vorfahren in der Steinzeit vorherrschte und bei einigen wenigen naturverbundenen Stammesgesellschaften auch heute noch vorkommt.

 

Schnitt zu den modernen westlichen oder westlich geprägten Gesellschaften. Zu uns. Zum typischen überzivilisierten Paar auf der Couch der Paartherapeutin.

 

Die Scheidungsrate ist so hoch wie vermutlich nie zuvor in der menschlichen Geschichte. Trotz materiellem Wohlstand streiten sich moderne Paare häufig und heftig, wenn nicht der andere Extremzustand der Friedhofsruhe und Grabesstille herrscht. Häusliche Gewalt, Fremdgehen und diverse Süchte sind viel zu häufige Notfallstrategien, zu denen Menschen greifen, um den Schmerz ihrer Bindungstraumata zu überdecken.

 

Was jetzt kommt, klingt vielleicht grob vereinfacht. Aber ich bin überzeugt, dass manchmal die Dinge gar nicht so kompliziert sind. Wie in diesem Fall.

 

Dass so viele Menschen heute unzufrieden mit ihrer Partnerschaft sind, hängt mit ihrem unterversorgten Bindungssystem zusammen.

 

Die meisten modernen Menschen sind in einem Haushalt mit einer bis maximal zwei Bezugspersonen aufgewachsen, welche in der Regel mit den Anforderungen des (täglichen) Lebens überfordert und dadurch nicht in der Lage waren, entspannt und feinfühlig auf das hochaktive Bindungssystem ihrer Kinder einzugehen. Was dazu führte, dass das kindliche Bindungssystem nicht wirklich beruhigt und heruntergefahren werden konnte, sondern, unterdrückt, kontrolliert oder betäubt werden musste. Und latent im hochaktiven Zustand verharrte. Was zu der Sehnsucht führte, dass all die frustrierten Bindungsbedürfnisse zu einem späteren Zeitpunkt gestillt werden würden. In der Paarbeziehung. So, wie es Hollywood versprach und immer noch verspricht. Der ideale Partner, die ideale Partnerin wird mir alles geben, das mir zuvor fehlte und so werde ich mein Glück und meine Erfüllung finden.

 

Die schlechte Nachricht: Die Prägungszeit des Bindungssystems ist mit etwa sieben Jahren abgeschlossen. Neue Erfahrungen werden kaum noch aufgenommen oder wenn, dann nur in sehr kleinen Dosen. Dafür sorgt der mittlerweile ausgereifte reflexive Verstand oder Präfrontalkortex. Das heisst, auch die Traumfrau oder der Prinz auf dem Schimmel wird das unterversorgte Bindungssystem nicht heil machen können. Und die beiden werden - Tinder sei Dank - weggewischt und die Sehnsucht wird auf ein neues menschliches Objekt projiziert. Welches wiederum das Bindungssystem nicht dauerhaft zum Verstummen bringen kann.

 

Die gute Nachricht: Das ist auch gar nicht nötig.

 

Auch Menschen mit gut versorgtem Bindungssystem werden ihr Leben lang intensive Bindungsbedürfnisse erleben. Im Unterschied zu uns westlichen Menschen kommen sie nicht auf die Idee, nach ihrer Partnerin zu schreien oder ihrem Partner eine Szene zu machen, wenn ein Bedürfnis gerade sehr aktiv ist und befriedigt werden möchte. Sondern aktivieren statt dessen ihr Verbindungssystem (oder mit einem anderen Wort: Ihr Selbst), um ihr Bedürfnis bewusst wahrnehmen und verkörpert spüren zu können und es in der Folge achtsam und entspannt zum Ausdruck zu bringen. Ihrem Partner gegenüber oder einer Freundin, der Katze oder einem Baum. Das spielt eigentlich nicht wirklich eine Rolle. Denn Verbindung ist jederzeit möglich. Als Kinder sind wir uns dessen noch nicht bewusst. Und auch uns modernen westlichen Menschen ist leider viel zu oft nicht bekannt, dass es dieses andere System ebenfalls gibt:

 

Das Verbindungssystem.

 

Das Verbindungssystem gibt es als eigenständiges System eigentlich gar nicht. Es ist eher ein Potenzial, eine Fähigkeit von erwachsenen Menschen mit einem fertig entwickelten Nervensystem. Als Erwachsene mit ausgereiftem Nerven- und Verbindungssystem sind wir jederzeit in der Lage, in Verbindung zu sein. Nicht mit jemandem, sondern mit dem, was ist, genauso, wie es ist. Das ist nämlich die Definition von erwachsener Verbindung. Sie ist nicht personengebunden, im Gegensatz zur kindlichen Bindungsbemühung. Menschen mit gut genährtem Bindungssystem sind jederzeit in der Lage, sich an ihr Verbindungssystem zu erinnern. Und die erlebte Verbindung mit anderen zu teilen. Beispielsweise einer ganz normal menschlichen Partnerin oder einem nicht-adeligen Partner. Das ist nämlich erwachsene Beziehung. Statt uns krampfhaft zu bemühen, Bindung herzustellen und zu reparieren, teilen und geniessen wir Verbindung. Uns bindungsmässig Unterversorgten fällt das umso schwerer, je heftiger das Bindungssystem getriggert wird. Aber auch wir können es lernen. Auch Du. Indem Du Dir als erstes überhaupt der Tatsache bewusst bist, dass Du jederzeit Zugang zu Deinem Verbindungssystem hast. Den meisten von uns ist das nämlich nämlich nicht bekannt.

 

Und dann, wie weiter?

 

Meine Empfehlung ist: Am besten kannst Du Dich um die Beruhigung Deines Bindungssystems kümmern auf dem Weg der Verkörperung (Embodiment) und der verkörperten Resonanz (Embodied Attunement).

 

Dadurch kommst Du zurück in Deine ursprüngliche Somatische Präsenz und aktivierst Deine Dir angeborene Organische Intelligenz.

 

Genau darum geht es in meinen Gruppen und auch in dem Paarangebot von meiner Frau Judith und mir.

 

Denn am Besten, Schnellsten und Leichtesten geht es tatsächlich in Gruppen. Unser Bindungssystem beruhigt sich nämlich in dem Setting wunderbar einfach, denn ein Gruppengefüge entspricht unseren ursprünglichen Bindungsbedürfnissen zu Beginn des Lebens.

 

Wenn Du die Magie unserer Gruppen erleben möchtest, melde Dich unbedingt bei mir. Mein Bindungssystem liebt es, magische heilungs- und entwicklungsfördernde Erfahrungen in Gruppen zu machen und ist immer wieder aufs Neue fasziniert von den nährenden Gemeinschaftserfahrungen.

 

Herzlich,

Simon

  • Meine aktuellen Gruppenangebote findest Du jeweils auf meiner Homepage: www.psytsg.ch
  • Die Gruppenangebote von meiner Frau und mir, unter anderem auch unser Mini-Retreat für Paare "Shift To Love" findest Du auf unserer gemeinsamen Webseite: www.one-now.ch

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PSYTSG

Psychotherapie Simon Gautschy

M.Sc. Simon Gautschy

Eidg. anerkannter Psychotherapeut
Fachpsychologe für Psychotherapie FSP

Rathausgasse 17

5000 Aarau

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